Die gespaltene Gesellschaft
Ude und Palmer. Zwei Kommunalpolitiker nehmen Stellung zum Flüchtlingsthema. Der frühere OB von München und der amtierende OB von Tübingen. Beide legen den Finger in eine Wunde.
Sind lästige Fragesteller rechtsextrem oder kriminell?
Christian Ude (SPD) und Boris Palmer (grün) haben jeder ein Buch zum Thema Flüchtlingspolitik vorgelegt. Beide sind dafür – vornehmlich aus ihrer jeweiligen Partei – heftig kritisiert worden. Wären sie Mitglieder einer anderen Partei, dann hätte es wohl den bekannten Sturm gegeben…
Ude schreibt in seinem Buch »Aber ist deshalb jede Nachfrage, warum Deutschland alle Flüchtlinge aufnimmt, die von anderen europäischen Ländern abgewiesen oder durchgewunken werden, warum fast alle anderen europäischen Länder mit Flüchtlingen anders verfahren, obwohl sie demselben Völkerrecht unterliegen, warum nach monatelanger Prüfung auch jene Migranten, die kein Bleiberecht haben, nicht des Landes verwiesen werden, warum die Terrorangst heute allgegenwärtig ist, obwohl doch jedes Sicherheitsrisiko bis zum Überdruss bestritten worden ist, warum immer mehr Milliarden für die Bewältigung des Problems bereitgestellt werden, obwohl die Flüchtlinge doch ein großes Geschäft für die sozialen Kassen sein sollten, kurz: Ist jede dieser Nachfragen in einen Topf zu werfen mit Naziparolen oder kriminellen Taten, als wären lästige Fragesteller zwingend rechtsextrem oder kriminell?«
Es ist aber nicht so, dass Ude plötzlich das politische Lager gewechselt hat und jetzt wirres rechtes Zeug schreiben würde. Nein, das Besondere ist, dass er sich dem Flüchtlingsthema von einer Sicht her nähert, die bisher stets niedergemacht worden ist. Er bezieht sich auf die »einschlägigen Parolen gutmeinender Repräsentanten der Willkommenskultur« und »den trauten Runden moralischer Überlegenheit«. Er begründet das anhand von Sachfragen, wie sie sich immer wieder stellen aber nicht diskutiert werden/können/dürfen. »Integration als große gesellschaftliche Anstrengung ist misslungen, wenn die Bevölkerung hinterher tiefer gespalten ist denn je,« stellt Ude fest.
Was bedeuten diese beiden Bücher für Bamberg?
Auf diesen wunden Punkt geht auch der Grüne Boris Palmer ein. Er sagt, dass Deutschland der Öffnung der Grenzen 2015 durch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht gewachsen gewesen sei. Ihr Fehler sei es gewesen, »einen großen Teil der deutschen Gesellschaft damit auszugrenzen«. Palmer schreibt praxisnah aus der Perspektive eines Kommunalpolitikers, der die Probleme wirklich kennt. Er ist der Überzeugung, dass ein realistischer Blick auf Flüchtlinge von Anfang an fehlte. Journalisten und Politiker hätten es voreilig ein Glück für Deutschland genannt, dass viele ehrgeizige junge Menschen herkämen – und damit falsche Erwartungen geweckt. Palmer kritisiert, dass die Anstrengungen unterschätzt wurden, die Kommunen aufbringen müssen, um Flüchtlinge ohne Ausbildung und Sprachkenntnisse in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren. Palmer schreibt: »Für die, die schon da sind, muss es eine Chance geben, weil ich die untätigen jungen Männer zunehmend als Problem im öffentlichen Raum sehe.«
Worin besteht das Besondere für Bamberg? Dazu muss man sich an die Flüchtlingsdebatte Ende 2015 erinnern. Massiv wurde von der Stadtführung eine Diskussion über das Für und Wider einer "Aufnahme- und Rückführungseinrichtung" (ARE) unterbunden. Keine Feststellung, keine Frage. Wer es doch wagte, wurde als »peinlich« und »rechtspopulistisch« abgewürgt und schließlich (im Netz) als Rassist und Nazi beschimpft. So, »als wären lästige Fragesteller zwingend rechtsextrem oder kriminell?« (Ude)
- Christian Ude: „Die Alternative oder: Macht endlich Politik!“ erschienen im Knaus-Verlag
- Boris Palmer: "Wir können nicht allen helfen. Ein Grüner über Integration und die Grenzen der Belastbarkeit" erschienen bei Siedler.
11.8.17 Bilder: WeBZet; jeweilier Verlag. Hinweis: Die Mail-Adresse der webzet-blog ist im Impressum (M.u.) zu finden. Zu dem Artikel äußern können Sie sich anhand der Kommentarfunktion unten. Die Kommentare werden nach einer Überprüfung gemäß der Richtlinien für Kommentare (Mitte u.) freigeschaltet. {jcomments on}
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