Bamberger Stadträte auf Klimatour in Tübingen

Die Stadt Tübingen (BW) gilt als Vorbild für Klimaschutz. Bamberger Stadträte sprachen bei ihrer dritten Klimatour mit dem streitbaren Oberbürgermeister Boris Palmer (Ex-Grüner).

„Tübingen zeigt, wie es gehen kann.“

Die Abordnung aus Bamberg traf Oberbürgermeister Boris Palmer im Rathaus.

Die einen rieben sich ungläubig die Augen, die anderen schossen begeistert Fotos: Direkt neben einer Brücke für den motorisierten Verkehr zweigt eine weitere, schmälere Brücke ab – komplett blau markiert und von unten beheizt. Sie ist allein für Fahrräder vorgesehen und lenkt diese auf einem eigenen Weg in die Innenstadt. Dieses Sinnbild für Tübingens fahrrad- und klimaorientierte Verkehrspolitik lag direkt an dem Hotel, in dem eine Gruppe aus Stadträten und Mitgliedern der Verwaltung aus Bamberg jüngst übernachtete. Das Ziel dieser Klimatour im Rahmen des Projekts „Mitmachklima“: In der 92.000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg Anregungen für die eigene Stadt sammeln.   

Die “blaue” Fahrradbrücke zog die Aufmerksamkeit der Stadtrats-Delegation auf sich.

„Wie haben sie es geschafft, dass so eine Brücke für Radfahrende neben eine bestehende Brücke gebaut werden konnte“, fragte dann auch einer der neun Bamberger Stadträte aus fünf Fraktionen und Gruppierungen, angeführt von Bürgermeister und Klimareferent Jonas Glüsenkamp, als sie Tübingens bekannten Oberbürgermeister Boris Palmer im Rathaus besuchten. Das Stadtoberhaupt erzählt, dass die Brücke für den motorisierten Verkehr vor einiger Zeit abgerissen und neu gebaut werden musste. Eine Ersatzbrücke musste also her. „Ein Provisorium und eine dauerhafte Brücke, die im Anschluss für Fahrräder genutzt werden kann, waren auf Grund von Förderungen nahezu kostengleich“, berichtet Palmer, räumte aber auch ein, dass es trotzdem Widerstände gegen das Projekt gegeben hätte. Ungewöhnlich schließlich auch, dass das Bauwerk im Winter auf 4 Grad erwärmt wird, um gegen die Glätte kein Salz streuen zu müssen, was die Substanz des Bauwerks langfristig angreifen würde. „Wie setzt man das am Ende durch? Mit guten Argumenten und ohne Rücksicht auf Diffamierungen!“

Verpackungssteuer bringt jährlich rd. 800.000 € in die Stadtkasse 

Fast eine Stunde nahm sich Oberbürgermeister Palmer Zeit, um den Gästen aus Franken seine Klimapolitik zu erklären und ihre Fragen zu beantworten. Tübingen soll bis 2030 klimaneutral werden. Dahinter stellte sich auch die Mehrheit des Stadtrats, woraufhin mit einer umfangreichen Bürgerbeteiligung ein Maßnahmenpaket erarbeitet und verabschiedet wurde. Fast alle Schritte fanden über 50 Prozent Zustimmung bei der Bevölkerung – bis auf die Verteuerung des Anwohnerparkens pro Stellplatz im Jahr von ehemals 30 auf 120 Euro bzw. 70 auf 180 Euro für größere Fahrzeuge. „Wo sind die ganzen Autos?“, fragten die Bamberger, die kaum Autos bemerkt hatten. Palmer antwortete: „Die parken am Rand der Innenstadt. Der Besitzer muss vielleicht auch mal einen Kilometer bis zur Wohnung laufen. Unser Ziel ist, die Autobesitzquote runterzukriegen, was aber noch nicht so gut funktioniert.“ Schon in den 1990er-Jahren sei in Tübingen verstanden worden, dass der Einzelhandel nicht durch Parkplätze vor der Tür, sondern durch Atmosphäre und Schönheit der Umgebung gerettet werden kann.

Was den Gästen ebenfalls in der Stadt aufgefallen war: die geringe Beleuchtung in der Nacht und der wenige Müll. „Die Neonreklame ist schon seit den 70er-Jahren stark reduziert. Das ist so gewollt“, erklärte der OB. Und bei der Sauberkeit schlägt sich die Verpackungssteuer nieder. Etwa 800.000 € bringe sie in die Stadtkasse und hilft so, die hohen Reinigungskosten zu decken. Aber vor allem habe sie zu einem starken Anstieg der Mehrweg-Angebote geführt und zu weniger Müll. „Also, das wirkt!“, meinte Palmer.

Die Recycling-Firma Möck stellte ihr Unternehmen und ihre Philosophie vor.

Nur einen Steinwurf entfernt vom Güterbahnhofsareal liegt das Unternehmen AV Möck, das die Bamberger Gruppe zum Abschluss besichtigte. Unter dem Slogan „Generation Recycling“ hat sich der Komplettentsorger dem Ziel der Stadt angeschlossen, bis 2030 klimaneutral zu werden, wie mehrere Mitglieder des Familienunternehmens erzählten. So begann auch hier im Jahr 2020 der Umbau der Firma: Es wurde investiert in E-Mobilität, ein Gütergleis-Anschluss wieder hergestellt und alle Dächer wurden mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet. So gelang es, die Versorgung mit eigener Energie sicherzustellen. Eine Herausforderung bleibt die Umstellung der kompletten LKW-Flotte auf E-Antrieb, die in den nächsten Jahren gelingen soll. Die verschiedenen Arbeitsschritte bekamen die Stadträte und Verwaltungsmitarbeiter bei einem Rundgang über das Gelände erläutert. Ziel sei es, stofflich zu verwerten und nicht in die Verbrennung zu gehen. Ein Beispiel sei, dass Altreifen geschreddert und dann als Boden für Spielplätze wiederverwendet werden.

Aussagen von Teilnehmern

Christian Hader (Grünes Bamberg): „Tübingen macht vor, worüber Bamberg noch diskutiert. Eine vom dortigen Einzelhandel geforderte, verkehrsberuhigte Innenstadt sorgt für eine herausragende Lebensqualität. Darüber hinaus ist die Stadt mit viel blühendem Grün versehen und ein modernes Energiekonzept sorgt für Sicherheit bei der Versorgung. Ich hoffe, dass sich die Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtrat inspirieren ließen.“

Gerhard Seitz (CSU): „Tübingen zeigt einen von der Bevölkerung akzeptierten, konsequenten Klimaschutz und hat dabei ein Herz für Autofahrer: In der Tiefgarage 1 € und oberflächlich null €/Nacht, bei uns sind es 2,50 €/ Stunde auch mitten in der Nacht!“

Felix Holland (SPD): „Der Besuch in Tübingen hat mir gezeigt, dass jede Stadt ihre eigenen Hausaufgaben für das Klima zu machen hat. Es gibt gemeinsame, aber auch spezifische Aufgaben und Möglichkeiten. Besonders wichtig ist aber dabei, transparent vorzugehen, Erklärungen für alle Beteiligten zur Verfügung zu stellen und soziale Gesichtspunkte bei den Entscheidungen mit zu berücksichtigen. Mit gesellschaftlicher Akzeptanz wird eine Umsetzung gelingen können.“

Geschrieben: PM PA Bbg-mdw; veröffentlicht: 18.11.23; Bilder v. webzet (Titelbild ist i.d.R. Symbolfoto); BildNw: PA Stadt Bbg

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3 Gedanken zu “Bamberger Stadträte auf Klimatour in Tübingen

  1. Tja, eigene Brücke für Radfahrer. Da bräuchte es in Bamberg ca. 6 Fahrradstege über die Flussarme um Fahrradhauptrassen von Nordosten Richtung Südwesten aufzubauen. Von Nordwesten nach Südosten haben wir ja die flussbegleitenden Haupttrassen. Ansonsten machen die Cityrouten in Bamberg nicht wirklich Spaß, da man an jeder Ampel vom Fahrrad hüpfen muss. Man sollte endlich weg von den fahrbahnbegleitenden Schutzstreifen und Alibifahrradwegen. Think big.
    Hoffentlich kann das Herr Palmer unseren Stadträten ein wenig vermitteln.
    Das Zitat „Wie setzt man das am Ende durch? Mit guten Argumenten und ohne Rücksicht auf Diffamierungen!“ sollte manchem Mitforisten hier zu denken geben.
    Die Grünen haben wegen Ihrer emphatielosen Politik die Führerschaft in der Umweltbewegung sowieso verloren. Boris Palmer ist ja auch mittlerweile parteilos.

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  2. “Der Besitzer muss vielleicht auch mal einen Kilometer bis zur Wohnung laufen.”

    Das ist auch völlig korrekt. Gerade dieser Menschenschlag braucht dringend Bewegung.

    “Unser Ziel ist, die Autobesitzquote runterzukriegen, was aber noch nicht so gut funktioniert.“

    Natürlich funktioniert das nicht so gut. Es fehlt nämlich an der hierfür erforderlichen Rigorosität. Das muss über des Michels Portemonnaie laufen.

    “Schon in den 1990er-Jahren sei in Tübingen verstanden worden, dass der Einzelhandel nicht durch Parkplätze vor der Tür, sondern durch Atmosphäre und Schönheit der Umgebung gerettet werden kann.”

    Erstaunlich, dass man hier bei uns, Jahrzehnte später, immer noch nicht auf diesen Trichter gekommen zu sein scheint.

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  3. Nach Coronawahn, jetzt Klimakult.
    “[…]Ziel ist, die Autobesitzquote runterzukriegen[…]”, nein, das ist keine Gängelei! Das ist nicht der Weg in eine Ökodiktatur!
    Was kommt als nächstes? Sonderabgabe für Holzkohlegrills, oder gleich deren Verbot? Welche Fläche darf man noch allein bewohnen und wie warm heizen?
    Ich weiß, “Freiheit” und “Grundrechte” gehören inzwischen zum Vokabular der Bösen und Rrrrächtän.

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