Wir haben viel Vertrauen verspielt

Fast ein Drittel weniger Personal im Pastoraldienst und ein Höchststand an Kirchenaustritten von zuletzt 15.705 im vergangenen Jahr: Der neue Erzbischof Herwig Gössl steht vor gewaltigen Aufgaben.

Schwerpunkte finden in der Seelsorge

Nach seiner Ernennung zum Bamberger Erzbischof gibt Herwig Gössl sein erstes Interview. Wie er sich zu drängenden Themen der katholischen Kirche wie Austritten, Wiederverheirateten und Homosexualität positioniert. Die ausführliche Version des Interviews kann heute (13.12.23)  im FT nachgelesen werden. Die Fragen stellte FT-Redakteur Herbert Mackert.

Herr Gössl, was ist Ihnen als Erstes durch den Kopf gegangen, als Sie erfahren haben, dass Papst Franziskus Sie zum Erzbischof von Bamberg ernennt?

Der Dom zu Bamberg ist die Bischofskirche der Erzdiözese Bamberg.

Gössl: Mein erster Gedanke war: Gibt es da keinen besseren?

Was sind die ersten Aufgaben, die Sie im neuen Amt angehen werden?
Gössl: Zunächst müssen Gespräche geführt werden mit den wichtigen Gremien im Erzbistum, zum Beispiel mit dem Diözesanrat. Dann steht die Ernennung von zwei Domkapitularen an, das konnte ich in der Sedisvakanz nicht machen. Dann müssen wir schauen, wie wir Schwerpunkte finden in der Seelsorge. Wir haben zwar einen Personalplan gemacht. Aber es ist völlig klar, dass die Entwicklung des pastoralen Personals es nicht zulässt, dass wir immer weiter Aufgaben ausdehnen, sondern wir müssen sagen, was notgedrungen nicht mehr geht.

Mit der Kirche vor Ort eng verbundene Menschen erleben auch viel Positives

Es gibt also eine geringere Zahl an Stellen?
Gössl: Es gibt leider weder bei den Priestern noch bei den pastoralen Beschäftigten genügend Nachwuchs. Wir werden im neuen Stellenplan bei den Priestern rund 20 Prozent und bei den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund 30 Prozent weniger Personen zur Verfügung haben. Deswegen muss man schauen, wie man das gestaltet, sonst läuft das einfach so aus, plätschert so dahin und versinkt dann irgendwo im Nichts, und das ist keine Gestaltung.

Wie wollen Sie die zunehmende Zahl an Kirchenaustritten stoppen?
Gössl: Indem wir auf Menschen zugehen und ihnen vermitteln, wie Kirche wirklich ist. Viele erleben Kirche nur durch das, was Medien ihnen vermitteln. Die Menschen, die mit Kirche vor Ort eng verbunden sind, erleben auch ganz viel Positives. Diese müssen wir ermutigen, dass sie diese positiven Erfahrungen weitergeben und in Kontakt treten zu denen, die sich von der Kirche entfernt haben.

In den Versammlungen zum Synodalen Weg stimmten Sie bisher mal mit Ja, mal mit Nein, mal mit Enthaltung. Beispiel „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“. Da enthielten Sie sich. Zugleich plädierten Sie für eine lehramtliche Neubewertung von gleichgeschlechtlicher Sexualität – was meinen Sie damit genau?
Gössl: Damit meine ich: Wir brauchen, bevor wir eine Praxis von Segnungsfeiern einführen, erst eine Basis der kirchlichen Lehre, die das auch zulässt. Wir können nicht eine Lehre haben, die von einem in sich ungeordneten und damit letztlich sündhaften Verhalten ausgeht, und dann sagen, wir segnen das aber – das ist widersprüchlich. Mit meiner Enthaltung wollte ich erreichen, dass wir einen Schritt weiterkommen und zu mehr Ehrlichkeit finden, damit wir zu einer Praxis kommen, die wir dann wirklich guten Gewissens durchführen können.

Offen zur Diskussion über Diakonat und Priestertum der Frau

Bei der Verkündigung des Evangeliums durch Laien in Wort und Sakrament stimmten Sie mit Ja, genau wie zum Handlungstext „Frauen in sakramentalen Ämtern“. Heißt das, dass Sie sich auch katholische Priesterinnen vorstellen können?
Gössl: Nein, das heißt es definitiv nicht. Es geht in dem Text um die Frage des Diakonats der Frau, das weiter verfolgt werden soll. Da kann ich mitgehen. Ich kann auch mitgehen, dass über das Priestertum der Frau weiter diskutiert werden kann.

Sie sagten, die Macht der Bischöfe müsse besser kontrolliert werden – was konkret meinen Sie damit?
Gössl: Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die bischöfliche Autorität zu demokratisieren. Doch schon in früheren Jahrhunderten gab das Domkapitel, und es gab die Bischöfe. Das war eine Machtbalance. So etwas braucht es auch. Es ist wichtig, dass ein Bischof nochmal einen Schritt zurückgehen und sagen kann: Jetzt sprich erst mal mit diesem oder jenem Gremium, mit Menschen, zu denen du Vertrauen hast. Und dann kannst du auch mit mehr Hintergrund eine Entscheidung treffen und dann auch dazu stehen – und sie, falls nötig, auch wieder revidieren. Auch da sollte einem Bischof kein Zacken aus der Krone brechen.

Künstliche Intelligenz gilt als größte technologische Revolution seit dem Start des Internets. Wie verändert sie das Menschsein und welche Grenzen dürfen bei ihr nicht überschritten werden?
Gössl: Ich bin da eher skeptisch. Was ich bei der KI sehe, ist, dass zunehmend nicht mehr klar ist, was Maschinen erarbeiten und was tatsächlich Menschen erdenken und dass wir auf eine abschüssige Ebene kommen, dass dann wirklich Maschinen uns steuern. Ich sehe natürlich auch die Chancen, die darin liegen, etwa für medizinische Behandlungsmethoden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, von der KI eine Predigt schreiben zu lassen.

Geschrieben: -mdw; veröffentlicht: 13.12.23; Bilder v. webzet (Titelbild ist i.d.R. Symbolfoto); BildNw: Hp Erzbistum Bbg

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